Schamanismus

Heilung ist ohne Gott nicht möglich! So die Meinung eines befreundeten, christlich orientierten Heilers. Doch auch die meisten Schamanen würden dem wohl zustimmen.

Dieser Satz scheint einfach, aber bedeutend, denn schauen wir uns die unzähligen, weltweit verstreuten, traditionellen Heilweisen und Lebensweisheiten der unterschiedlichsten Kulturen an, wird deutlich, wie schwer es ist, Gott etwas bestimmtem oder etwas bestimmtes Gott zuzuschreiben. Vielmehr wird klar, dass Gott alles ist - alles beinhaltet und allem innewohnt. Gott ist jede auch noch so kleine Form sichtbaren und unsichtbaren Lebens. Er steckt in den elementaren Kräften, den Tieren und Pflanzen, also allen irdischen, aber nicht zu vergessen, auch in allen geistigen Wesen. Diese und viele andere ruft der Schamane an. So arbeitet er mit den Wesen, die ihn begleiten und umgeben. Diese kommunizieren und heilen mit und vor allem durch ihn. Allesamt sind sie Teil Gottes, unmittelbar mit allem anderem verbunden und so sie letztlich Gott selbst.

Das Anrufen verschiedener Gottheiten und der Glaube an mehrere unterschiedliche Götter ist also bei genauerem Hinsehen ebenso der Glaube an das "Große Ganze", an den einen "Großen Geist". Wo wir auch hinsehen auf der Erde, Gott hat unendlich viele Gesichter und jedes dieser Gesichter, dieser Wesenheiten steht für einen ganz bestimmten Aspekt des einen Göttlichen. Denn schauen wir weiterhin auf diese Vielfalt, stellen wir fest, dass trotz unterschiedlicher Namen, trotz unterschiedlichster Darstellungen die Wesenheiten und Götter sich in den verschiedenen Kulturen und Religionen ähneln und alle denselben Ursprung besitzen.

Wir Menschen blicken lediglich auf den einen Teil der Welt, in dem wir leben und kennen nur, was unsere Umwelt uns hat erfahren lassen. Doch haben alle Menschen in der Essenz die gleiche Verbindung zu den geistigen Welten, unabhängig davon, wo wir herkommen.

All dieses Wissen, die Hingabe gegenüber dem Göttlichen und allem Leben und die Arbeit, als Mittler zwischen unzähligen Welten, nicht nur "unserer" und einer "Anderswelt", das ist  Schamanismus . Ein Schamane gibt dem Menschen Raum und Möglichkeit, seine Seele zu öffnen und so wird mithilfe der geistigen Welten der Weg zur Heilung geebnet. 

Wer und was ein Schamane ist, hängt ab von dem  Kulturkreis  und der Traditionen, aus denen er stammt, aber auch von der  eigenen Berufung  und der Entwicklung unserer Welt. So haben Schamanen nicht immer die gleichen Fähigkeiten oder die gleiche Macht. Manche sind Spezialisten auf einem besonderen Gebiet, die meisten aber bringen verschiedene Qualitäten in sich zusammen. Heilung ist zwar oft ein zentrales Thema, allerdings ist nicht jeder Heiler auch gleichzeitig Schamane und umgekehrt ist schamanisches Wirken nicht nur auf Heilen beschränkt. In seiner Rolle als Priester und spiritueller Führer begleitet der Schamane auch Menschen durch ihr Leben, von der Geburt bis zum Tode. Zudem ist ein Schamane auch Bewahrer von uraltem Wissen und so sind sie oft Lehrer, da sie ihr Wissen weitergeben.

Manche Schamanen werden unmittelbar in ihre Aufgabe hineingeboren und unterwiesen, andere wiederum sind durch schwere Krankheit, heftige Krisen und Leid in gewisser Weise dazu "gezwungen", diesen Weg einzuschlagen und wieder andere werden vielleicht sogar gegen ihren Willen dazu erzogen. Jeder Schamane geht seinen ganz persönlichen Weg. Er durchlebt Initiationsprozesse, in denen er leitende Visionen hat, die Geister ihn einweihen und ihn in seine Kraft führen. Diese Phasen sind manchmal von Krankheit begleitet und/oder einer massiven Veränderung seiner "stofflichen" Welt. Meist folgt danach eine lange Lehrzeit bei einem Ältesten. Nur wenige Schamanen werden ausschließlich von der geistigen Welt unterrichtet, aber auch die gibt es.

 In unserem westlichen Kulturkreis fehlen uns leider weitestgehend "traditionelle, europäische Schamanen" und so müssen wir oft auf das Wissen anderer Kulturen zurückgreifen. Europäer reisen zu indigenen Völkern und besuchen deren Schamanen, um von ihnen zu lernen und immer mehr Schamanen aus aller Welt kommen zu uns, um ihr Wissen mit uns zu teilen. Das ist ein Geschenk, denn so gibt es mittlerweile auch bei uns Einführungen und Ausbildungen um dieses Wissen. Aus diesen Ausbildungen gehen sogenannte  "schamanisch Praktizierende" hervor. Hier allerdings sollte ein Unterschied gemacht werden, da diese Praktizierenden nicht automatisch Schamanen sind. 

Grundlegend liegt der Unterschied darin, dass ein  schamanisch Praktizierender  mit erlernten Techniken, die unterstützenden Wesen und Gottheiten anruft, um mit deren Hilfe arbeiten zu können. Dabei folgt er meist einem festgelegten Ablauf und einer bestimmten Reihenfolge. Je nach Intensität und Art Verbindung erhält der Praktizierende mehr oder weniger deutliche Unterstützung bei seinen Ritualen oder der Arbeit für seine Klienten. Das Wirken des Praktizierenden kann daher sehr erfolgreich und heilsam sein. Ein  Schamane aber geht keine festgelegten Wege. Er selbst wird ganz zum Geist, zum Element, zur Wesenheit. Er kommuniziert direkt mit diesen und ihre Kräfte wirken ohne Umschweife und unmittelbar durch ihn. 

Wir alle haben bestimmte Fähigkeiten und Begabungen, die uns in diesem Leben als Geschenk helfen und führen, die aber auch diejenigen Aufgaben beinhalten, zu denen wir in diesem Leben berufen sind. So ist auch ein Schamane berufen, zu tun, was er ist. Zwar heißt das nicht, dass Schamanen immer und automatisch gute Menschen sind oder  Heilige, die rein altruistisch handeln und leben, geht er aber seinen Weg ernsthaft und in Hingabe und Demut, wird er mit seiner Berufung verschmelzen - das ist heilig, unabhängig von der Art der Berufung.

Was letztlich  Schamanismus  tatsächlich ist, bleibt immer noch nicht ganz fassbar. Für mich ist Schamanismus eine praktizierbare Lebens- und Heilweise, ganz unabhängig von jeglichen religiösen Zwängen. Eine eindeutige Definition allerdings bleibt in einer Welt, deren Grenzen fließend sind, in einer Welt des All-seins immer schwierig. Wer einen Aspekt aus dem großen Ganzen herausnimmt und zu beschreiben versucht, hat eben nur diesen einen Aspekt vor sich und kann dabei nur kaum den ganzen, großen Rest erfassen.

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Initiation